DTM-E-Sport-Meister wurde DTM-Trophy-Saison versprochen: Was passiert jetzt?
Das Ende der DTM-Dachorganisation ITR und die Übernahme der DTM durch den ADAC sorgten für ein Erdbeben im deutschen Motorsport – und bei vielen Teams, die nun neu planen müssen. Doch die Neuordnung hat auch Auswirkungen auf Bereiche und Personen, an die kaum jemand denkt, wie zum Beispiel den 24-jährigen Slowenen Kevin Siggy.
Der E-Sport-Spezialist, der zu den besten virtuellen Rennfahrern der Welt zählt, holte 2022 den Titel in der DTM-Esports-Championship und setzte sich daraufhin auch bei einem Shootout durch, bei dem am Red-Bull-Ring unter anderem mit BMW-M2- und BMW-M4-GT4-Rennboliden gefahren wurde. Der Hauptgewinn: eine vollfinanzierten Saison in der DTM-Nachwuchsserie DTM-Trophy im Wert von rund 300.000 Euro.
Doch Ende Dezember wurde die ITR von DTM-Boss Gerhard Berger geschlossen – und der Österreicher verkaufte die DTM-Rechte an den ADAC. Da der größte deutsche Automobilclub mit der GT4 Germany selbst eine eigene GT4-Serie hat, wurde die DTM-Trophy einstellt – und Siggy steht nun trotz seiner Leistung mit leeren Händen da.
DTM-E-Sport-Meister tappte komplett im Dunkeln
Das weiß er seit dem 29. Dezember 2022. Wie er von der Hiobsbotschaft erfuhr? “Zuerst musste ich an sie herankommen und mich selbst fragen, um das herauszufinden”, sagt er im Gespräch mit den englischen Kollegen von unserem Schwestermedium ‘Autosport’.
“Ich habe mit Martin Tomczyk gesprochen, der 2011 DTM-Champion war und selbst am Shootout beteiligt war, aber das hat nichts mit ihm zu tun. Er hat gemeint, er habe keine Ahnung, das betrifft Leute, die über ihm stehen. Ihm wurde nichts Konkretes über mein Programm gesagt, aber er hat mir geholfen, die richtigen Ansprechpartner zu finden.”
Tomczyk hatte sich nach seinem Einstieg bei der ITR vor einem Jahr als Verantwortlicher für die DTM-Trophy und später als Repräsentant für den Sport- und Markenbereich für ein Aufstiegsmodell auf der Plattform eingesetzt.
“Aus unserem DTM-Esports-Förderprogramm werden wir 2023 den Champion Kevin Siggy in der DTM Trophy sehen”, meinte der Ex-Rennfahrer im Sommer 2022. “Uns liegt der Nachwuchs wirklich am Herzen und wir sehen es sehr gerne, wenn die Talente verschiedene Säulen auf unserer Plattform durchlaufen und schließlich den Weg über die DTM-Trophy in die DTM schaffen.”
“Es tut mir Leid, Ihnen diese Rückmeldung geben zu müssen”
Aber auch Tim Heinemann, der ebenfalls aus dem E-Sport-Bereich stammt und 2022 zum zweiten Mal nach 2020 den Titel in der DTM-Trophy einfuhr, kann in Hinblick auf einen Aufstieg in die DTM nicht mehr von Tomczyks Bemühungen profitieren.
Wie die ITR auf Siggys Anfrage, was nun mit ihm passiere, reagierte? “In der E-Mail, die ich erhalten habe, wurde das ITR- und das DTM-Szenario erklärt – und der Besitzerwechsel”, sagt Siggy, der in den Niederlanden lebt.
“Am Ende hieß es: ‘Die Entwicklungen haben zur Tatsache geführt, dass das Programm, von dem Sie sprechen, ohne die Ausschreibung der DTM-Trophy und ohne die ITR als Promoter nicht mehr existiert und komplett eingestellt wird. Es tut mir Leid, Ihnen diese Rückmeldung geben zu müssen, aber wir danken Ihnen für Ihre Teilnahme und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.’ Das war’s.”
Aufwändige Rennlizenz als Vorbereitung für DTM-Trophy
Seit dieser E-Mail habe Siggy keine Antwort mehr erhalten. Dabei hatte der virtuelle Rennfahrer viel Zeit und auch Geld in die Vorbereitungen auf seine erste echte Rennsaison gesteckt. “Mir wurde gesagt, dass es viel einfacher sei, wenn ich meine Rennlizenz in Deutschland mache als in den Niederlanden, wo ich aktuell lebe”, sagt er.
“Ich bräuchte dort aber einen Wohnsitz, damit das einfacher wird. Zum Glück hat eine der besten Freundinnen meiner Mutter dort gelebt, also habe ich übernachtet und um Erlaubnis gebeten, dass ich mich mit ihrem Wohnsitz anmelde. Der nächste Schritt war dann der Theorietest, den die DTM finanziert hat. Aber ich musste dort hinreisen und habe auch den Rennfahrer Louis Henkefeld um einen Gefallen gebeten. Er war so nett und hat mir den Test übersetzt, denn er war auf Deutsch.”
Hängepartie um nötige Rennen für Rennlizenz
Siggy bestand den Test – und der nächste Schritt war die Teilnahme an zwei echten Rennwochenenden. Das ist eine Bedingung, um eine Rennlizenz zu ergattern. “Ich habe die nationale Lizenz bekommen, die ich bezahlt hatte – und dann ging es weiter mit drei Rennen auf nationaler Ebene: Zwei Sprints und ein Langstreckenrennen, bei denen es hieß, dass sie von der DTM bezahlt werden”, erzählt er.
Doch dann sagte die ITR die Termine ab. “Das erste Wochenende wurde gestrichen”, so Siggy. “Ich habe eine Sprachnachricht erhalten, in der von ‘internen Gründen’ die Rede war, mehr nicht. Das zweite Wochenende wurde aber weiter versprochen, also hat sogar meine Mutter ein Flugticket gekauft, um mir zuzuschauen, aber dann kam eine weitere Sprachnachricht mit einer weiteren Absage.”
Ihm sei dann “gesagt worden, dass es definitiv 2023 stattfinden würde – entweder im Januar, Februar oder März, aber dann habe ich natürlich die oben erwähnte E-Mail von der DTM erhalten, nachdem ich nachgefragt hatte.”
Siggy gibt Kampf um echte Rennkarriere nicht auf
Auf Nachfrage der Kollegen von ‘Autosport’ um eine Stellungnahme, hieß es von Seiten der inzwischen geschlossenen DTM-Dachorganisation ITR: “Als Konsequenz der Übernahme der Marke DTM durch den ADAC, wird die ITR GmbH, die bisher die DTM-Trophy promotet hat, die Serie nicht mehr länger promoten. In Anbetracht dieser Tatsache prüfen und analysieren wir im Moment die Situation im Detail.”
Jetzt hofft Siggy, dass er auf der neuen DTM-Plattform des ADAC eine Chance bekommt, auch wenn der streng genommen nicht zuständig ist, weil er nur die Markenrechte der DTM gekauft hat. “Ein Cockpit in der GT4 Germany oder im BMW M2 wäre besser als nichts, aber bis jetzt ist nichts passiert”, sagt er. “Ich würde zu 100 Prozent alles machen, was es beim ADAC gibt, es ist nach wie vor ein Traum.”
Echte Rennen haben für Siggy, der im E-Sport-Bereich für das Team Redline fährt und damit Teamkollege von Stars wie Max Verstappen, Kelvin van der Linde, Daniel Juncadella oder Shane van Gisbergen ist, ab sofort “Priorität gegenüber dem virtuellen Racing”, sagt der Slowene, der eben erst an den virtuellen 24 Stunden von Le Mans teilgenommen hat. “Sollte es zwischen Motorsport und Sim-Racing dieses Jahr zu irgendwelchen Überschneidungen kommen, dann werde ich das machen.”