Beendet Cadillac den Widerstand gegen Andrettis Formel-1-Pläne?
Die Nachricht, dass Andretti und Cadillac zusammen den Einstieg in die Formel 1 planen, hat am Donnerstag für Aufregung gesorgt. Vor allem Fans waren vom neuen Projekt begeistert, das auch mindestens einen amerikanischen Fahrer stellen will. Doch ist das jetzt genug, um die Skepsis aus den Reihen der Formel 1 zu mindern?
Während die FIA in Form von Präsident Mohammed bin Sulayem die Pläne begrüßt hat, stellte die Formel 1 klar, dass jeder Neuzugang auch ihre Zustimmung braucht – nicht nur die der FIA. Jeder Neuling muss einige Hürden nehmen, um im Feld aufgenommen zu werden.
Und Andretti wurde bislang äußerst frostig empfangen, vor allem von den anderen Teams. Denn diese möchten ihren Anteil vom Kuchen nicht noch unbedingt mit einem weiteren Teilnehmer teilen. Der Grundtenor war immer: Außer wenn es sich um einen wirklich großen Namen handelt, ist ein neues Team kein Muss.
Doch ändert sich diese Haltung, jetzt wo klar ist, dass Andretti für seine Formel-1-Pläne die Unterstützung von General Motors, dem größten Autohersteller in den USA, hat?
Formel 1 für GM jetzt erst machbar
General Motors hat in den vergangenen Jahren einige Schritte im Motorsport unternommen. In den USA war man durch die IndyCar-Serie und die IMSA-Meisterschaft schon präsent, doch der Einstieg mit seinem LMDh-Cadillac in die Langstrecken-Weltmeisterschaft zeigt die Ambitionen, sich globaler auszubreiten.
Wo könnte man also besser hin als in die Formel 1? Geschäftsführer Mark Reuss gibt aber zu, dass es in den vergangenen Jahren “sehr schwierig” war, einen Einstieg in die Formel 1 anzustreben. Unter Präsident Barack Obama musste die US-Regierung ein Rettungspaket schnüren, um das Unternehmen über Wasser zu halten.
Doch mittlerweile haben sich die Dinge geändert: Der Umsatz erreichte im dritten Quartal 2022 einen neuen Rekord von 41,9 Milliarden Dollar, was auf die Stärke des Konzerns hinweist.
Reuss sagt, dass die Beteiligung von Michael Andretti für das Interesse von GM an der Formel 1 “sehr, sehr wichtig” sei und dazu beigetragen habe, die Gespräche so weit zu beschleunigen, dass die Ankündigung am Donnerstag gemacht werden konnte.
Nur der Name, kein Motor
Und obwohl das Team Andretti Cadillac Racing heißen soll, muss man festhalten, dass die Power-Unit zu Beginn nicht von General Motors kommen wird. Genaue Pläne hat man noch nicht verkündet, allerdings angedeutet, dass man zu Beginn einen Partner haben werde, mit dem man zusammenarbeiten würde.
Und auch wenn die Formel 1 damit den Namen Cadillac bekommen könnte, würde sie damit keinen Motor von GM bekommen. Es wäre ähnlich wie bei Alfa Romeo und Aston Martin derzeit. Erstere sind im Wesentlichen ein Titelsponsor mit einigen technischen Überschneidungen; letzteres ist ein Werksteam durch einen gemeinsamen Eigentümer mit dem Autohersteller, besitzt aber immer noch einen Mercedes-Motor.
Doch es wurde auch angedeutet, dass sich das in Zukunft ändern könnte. Reuss stellte klar, dass die Partnerschaft “über die Cadillac-Lackierung hinaus” geht und dass Andretti vollen Zugang zu allen Rennanlagen von GM bekommen würde.
“Die umfangreichen technischen Ressourcen von GM werden nachweisliche Erfolge und wertvolle Beiträge zu dieser Partnerschaft liefern”, so Reuss. “Dazu gehören alle Talente und Fähigkeiten der Mitarbeiter und Einrichtungen von GM Racing in Michigan, im Warren Tech Centre, und in North Carolina sowie das Fachwissen unserer Ingenieure und Konstrukteure in den Bereichen Verbrennung, Batterietechnologie, Aufladung, Fahrzeugintegration.”
Wenn gewünscht, könnte man noch mehr Bereiche in Eigenregie übernehmen und so ein wirklich rein amerikanisches Team aufbauen. Es ist ein deutliches Zeichen, dass es GM mit der Formel 1 ernst meint.
Alfa-Romeo-Geschäftsführer Jean-Philippe Imparato hatte im Sommer gesagt, dass er durch die Partnerschaft mit Sauber “das beste Return on Investment der Welt” habe. Man hätte die Marketingvorteile der Formel 1, nicht aber die Kosten eines Werksteams. GMs Plan mit Andretti würde durch die technische Partnerschaft aber tiefer gehen.
Löst sich der Widerstand jetzt auf?
Vor dieser Ankündigung war ein möglicher Einstieg von Andretti jetzt nichts, was das Herz der Formel-1-Teilhaber zum Beben brachte. Sicherlich, ein weiteres Team würde zwei Autos und zwei Fahrer mehr bieten und so für mehr Action auf der Strecke sorgen, aber mit Haas hat man schon ein amerikanisches Team, und wenn man mit einem bestehenden Hersteller fahren würde, würde man nichts Neues bringen.
Die Beteiligung von GM durch Cadillac könnte die Dinge aber ändern. Die Formel 1 möchte die Serie sein, bei der die größten Autohersteller der Welt mitmachen wollen. Ferrari, Mercedes, Renault und Honda sind da, wobei Letztere nach ihrem sanften Ausstieg 2021 wieder einen Weg zurück suchen. Audi kommt 2026, und auch Porsche steht immer noch vor der Tür.
Ein Einstieg von GM mit ihrer finanziellen Kraft und Präsenz – vor allem in den USA – sieht wie eine gute Sache für die Formel 1 aus. Und auch wenn Cadillac jetzt nicht unbedingt der Hersteller ist, bei dem man gleich an Speed und Luxus denkt, möchte GM diese Wahrnehmung ändern.
Haben die anderen Teams noch Argumente?
“Während wir Cadillac zu einer globalen Marke ausbauen, an Orten, an denen wir entweder schon lange nicht mehr waren oder noch nie waren, bietet die Formel 1 die Möglichkeit, Cadillac und die Marke zu präsentieren, während sie wächst”, sagt Reuss. Schließlich ist die Formel 1 vielleicht das beste Marketinginstrument, das es für Automobilhersteller gibt.
Für Andretti und Cadillac gibt es aber immer noch einige Hürden. Die größte ist die Unterstützung der Formel 1 und der zehn Teams. Trotz allen Enthusiasmus von Bin Sulayem ist es keine Entscheidung, die die FIA alleine trifft.
Wir wissen, dass McLaren und Alpine die Pläne von Andretti unterstützen, weil sie glauben, dass ein weiteres Team die Einnahmen der Formel 1 genügend steigert, um den finanziellen Verlust von zehn Prozent für jedes Team auszugleichen.
Jetzt, da GM an Bord ist, haben es die anderen acht Teams vielleicht schwerer, ihre Bedenken vorzubringen. Aber ihre Unterstützung ist nach wie vor unerlässlich, um dieses Projekt zu verwirklichen.