Vasseur: Ferrari “drei bis vier Zehntel” schneller als Aston & Mercedes
Vor dem Wochenende in Saudi-Arabien hatte sich Ferrari zuversichtlich gezeigt, dass man nach dem schwachen Auftritt mit einem hohen Reifenverschleiß in Bahrain auf dem glatteren Asphalt in Dschidda besser abschneiden würde. Am Ende standen jedoch die Plätze sechs und sieben für Carlos Sainz und Charles Leclerc zu Buche.
Schaut man sich die Daten des Wochenendes an, dann gibt der aktuelle WM-Stand ein realistisches Bild der Performance der Autos ab. Red Bull mit zwei Doppelsiegen haushoch vorn, Aston Martin und Mercedes dahinter, während Ferrari mit 63 Punkten Rückstand auf Rang 4 der Konstrukteurswertung steht.
Für die Scuderia jedoch längst kein Grund zur Sorge. “Es ist noch zu früh, um sich ein klares Bild von der Saison zu machen, aber bisher denke ich, dass die Pace [im Qualifying] anständig war, denn wir haben einen Schritt nach vorne gemacht und die Lücke zu Mercedes und Aston im Quali geöffnet”, sagt Teamchef Frederic Vasseur nach dem Rennen.
Vasseur: Sind drei, vier Zehntel schneller als Aston und Mercedes
“Ich denke, zumindest mit Charles waren wir drei oder vier Zehntel schneller als Aston und Mercedes. Der erste Stint verlief auch ziemlich gut, Charles hatte ein gutes Comeback und Carlos hatte auf dem ersten Stint mit dem Medium-Reifen eine anständige Pace im Vergleich zu den anderen.”
“Nur haben wir mit dem harten [Reifen] komplett an Boden verloren. Das ist der Punkt, den wir verstehen müssen. Das ist das Hauptproblem, und wenn wir uns verbessern müssen, ganz klar beim Management der verschiedenen Mischungen”, meint Vasseur.
Datenanalyse: In Saudi-Arabien war nicht der Reifenverschleiß schuld
Beim Blick auf die Daten haben die beiden Ferrari-Piloten im zweiten Stint auf den harten Reifen im Schnitt 1,1 Sekunden pro Runde auf die Red-Bull-Fahrer Sergio Perez und Max Verstappen verloren und auch im ersten Stint waren es 1,1 Sekunden, als Sainz und die Red Bulls auf dem Medium und Leclerc auf dem Soft unterwegs war.
Der Reifenverschleiß war dabei, entgegen der Erwartungen aus den Longrun-Daten vom Freitag, kein Thema. Es fehlte einfach allgemein an Rennpace. Die Ferraris starteten den zweiten Stint auf den harten Reifen mit mittleren 34er-Zeiten und verbesserten sich gegen Rennende auf mittlere 33er-Zeiten. Die beiden Red Bull fuhren hingegen über den gesamten Stint mittlere 32er- bis niedrige 33er-Zeiten.
“Heute sieht der Abstand riesig aus”, bestätigt Vasseur. “Zumindest im zweiten Stint. Der erste Stint war schwierig für uns, weil wir nie in der Lage waren, wirklich zu pushen. Im zweiten Stint waren wir in der Lage zu pushen, und der Rückstand war riesig, denn ich glaube, in 30 Runden haben sie uns etwa 25 Sekunden eingeschenkt, das kann man sich ja einmal ausrechnen.”
Vasseur glaubt an Aufholjagd: Können Red Bull knacken!
Der erste der beiden Ferraris, Carlos Sainz, kam 35 Sekunden hinter Sergio Perez ins Ziel. Rechnet man die Safety-Car-Phase zu Beginn des Rennens heraus, dann wäre der Abstand auf den Sieg etwa 52 Sekunden gewesen, was 1,04 Sekunden pro Runde entspricht. In Bahrain fehlten Sainz ebenfalls 48 Sekunden auf den Sieg, was auf 57 Runden allerdings 0,85 Sekunden pro Runde sind.
Der Abstand auf Red Bull im Renntrimm scheint riesig, doch Vasseur glaubt daran, dass man das Weltmeisterteam im Saisonverlauf noch einholen kann: “Ich denke schon. Wir müssen weiter Druck machen und ich denke, es ist nicht die richtige Einstellung, über den Rückstand nachzudenken und zu fragen, ob wir den Rückstand aufholen können.”
“Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren, wir müssen wissen, warum wir schwach sind, und wir müssen uns in dieser Hinsicht verbessern. Wir werden sehen, was dabei herauskommt und wir wissen, dass wir uns verbessern müssen, aber ich denke, das liegt in der DNA unseres Sports. Ab morgen früh werden wir im Büro sitzen und wie wild pushen.”
Könnte Alpine im Entwicklungrennen gefährlich werden?
Nach den Longruns am Freitag hätte man zudem vermuten können, dass Alpine der Scuderia im Rennen gefährlich werden könnte. Die Franzosen konnten ihren starken Eindruck vom Freitag allerdings nicht bestätigen und im Kampf gegen Aston Martin, Mercedes und Ferrari nicht eingreifen.
Im vergangenen Jahr hat Alpine bereits bewiesen, dass man mit der Weiterentwicklung eines Autos während der Saison große Fortschritte machen kann. Bei Ferrari war historisch in den letzten Jahren eher das Gegenteil der Fall.
Oft startete man gut in eine Saison, ehe man ab Saisonmitte den Anschluss verlor. So war es im vergangenen Jahr im Kampf gegen Max Verstappen oder auch 2017 und 2018, als sich Sebastian Vettel im Saisonendspurt gegen Lewis Hamilton geschlagen geben musste.
Auf die Frage, ob Alpine daher im weiteren Saisonverlauf noch eine ernsthafte Bedrohung darstellen könnte, meint Vasseur: “Die Leistung in allen Unternehmen wird immer von verschiedenen Säulen getragen. Es ist nie eine einzige, die gut oder falsch läuft.”
“Und es ist nicht so, dass wir die Entwicklung der Aerodynamik, der Aufhängung oder des Motors einstellen müssen, nur weil wir heute einen schlechten Stint hatten. Wir werden weiterhin in jedem einzelnen Bereich der Performance unser Bestes geben, aber wenn man sich das Bild dieses Wochenendes anschaut, denke ich, dass das Potenzial des Autos am Samstag in Ordnung war und vielleicht auch zu Beginn des Rennens, aber im letzten Teil waren wir nicht da.”
Vasseur: Balance des Autos war gut
“Ich denke, die Balance war recht gut”, fügt der Franzose hinzu. “Wenn man sich die Balance im Qualifying ansieht, war sie in Ordnung. Es ist nicht so, dass wir ein großes Problem mit der Balance hatten, [die Fahrer] haben sich nicht über Übersteuern beschwert, und selbst auf den Bodenwellen war das Auto anständig.”
“Mein erstes Gefühl vor der Nachbesprechung ist eher, dass wir das maximale Potenzial des Autos bei einigen Gelegenheiten ausschöpfen konnten, mit dem weichen Reifen im Qualifying oder mit dem Medium heute im ersten Teil des Rennens.”
“Mit dem harten Reifen hatten wir viel mehr zu kämpfen. Ich weiß nicht, ob es an den Streckentemperaturen lag, aber als die Streckentemperaturen sanken, hing es mit der Mischung zusammen. Aber aus meiner Sicht ist es ganz klar, dass wir gute Momente hatten, eine gute Fahrt ins Wochenende und ein sehr schlechtes Ende des Rennens.”
Telemetriedaten: Wo Ferrari die Zeit verliert
Wenn man sich die Telemetriedaten des Rennens ansieht, erkennt man, dass Ferrari in den langsamen Kurven sogar einen Vorteil gegenüber Red Bull hat, jedoch in den schnellen Kurven und auf den Geraden an Zeit verliert. Der Ferrari-Motor gilt als die beste Powerunit im Feld, doch das Chassis erzeugt so viel Luftwiderstand, dass Red Bull auf den Geraden dennoch schneller ist.
Verstappen erreichte im Rennen eine Höchstgeschwindigkeit von 342 km/h, während Ferraris Topspeed bei 333 km/h lag. In beiden Fällen wurde das DRS aktiviert und vom Windschatten des vorherigen Autos profitiert, weshalb eine Vergleichbarkeit gegeben ist. Bereits im Qualifying war Red Bull rund 9 km/h in der Geschwindigkeitsmessung schneller.
“Wir dürfen uns nicht selbst verarschen”, fährt Vasseur in seiner Rennanalyse fort. “Das Wichtigste in einer solchen Situation ist, dass wir wissen, wo wir gut sind und was wir falsch machen. Aber wir dürfen uns nichts vormachen. Wir müssen uns ändern, wir müssen verstehen, wo wir falsch liegen, und wir müssen Druck machen.”
Vasseur: Können das Potenzial noch nicht ausschöpfen
“Um nicht zu sagen, wir werden so nicht schneller sein. Für mich ist das Bild ziemlich klar, und das Potenzial des Autos ist gut. Aber es ist nicht genug im Vergleich zu Red Bull, denn wir sind nicht in der Lage, jedes Mal das Maximum aus dem Auto herauszuholen.”
“Es ist der Grip insgesamt, und ich denke, es geht eher darum, die Reifen im richtigen Fenster zu haben und die Temperatur halten zu können”, erklärt Vasseur. “Wenn die Reifen nicht im richtigen Fenster sind, ist es schwierig. Aber für mich ist das die offensichtliche Erklärung nach so einem Wochenende.”
“Lassen wir Max mal beiseite, weil er das Quali nicht bestritten hat, aber wir haben das ganze Quali über mit Checo gekämpft. In jedem einzelnen Stint des Qualifyings haben wir mit ihm gekämpft, plus oder minus eine Zehntel. Aber im Rennen waren wir mit dem gleichen Auto und dem gleichen Paket nirgendwo”, bilanziert der Ferrari-Teamchef.