“Rennsport sehr unvorhersehbar”: LMDh-Lager will nicht Sebring-Favorit sein
Wenn am 17. März in Sebring die grüne Flagge fällt, geschieht Historisches: Die neuen LMDh-Prototypen von Porsche und Cadillac messen sich erstmals mit den Hypercars von Toyota, Ferrari, Peugeot, Glickenhaus und Vanwall. Allerdings gehen LMH- und LMDh-Fahrzeuge mit unterschiedlichen Voraussetzungen ins Rennen.
Theoretisch sind Porsche und Cadillac im Vorteil. Sie haben tausende von Testkilometern in Sebring abgespult und zudem durch die 24h von Daytona einen Erfahrungsvorsprung in Sachen Heizdeckenverbot. Letzteres wurde zuletzt heftig diskutiert. Von einer Favoritenrolle für den WEC-Auftakt will man im LMDh-Lager aber nichts wissen.
“Egal, welchen Vorteil wir durch die Tests und das Rennen in Daytona haben: Jeder Hersteller ist mehrere Saisons in der WEC gefahren. Der Rennsport ist sehr dynamisch und unvorhersehbar”, winkt Jonathan Diuguid, Geschäftsführer von Porsche Penske Motorsport, auf Nachfrage von ‘Motorsport-Total.com’ in einer Online-Medienrunde ab.
Cadillac-Verantwortliche: Sebring ganz anders als Daytona
“Jeder Vorteil, den eine Organisation, eine Gruppe oder eine Plattform hat, wird durch etwas ausgeglichen, das eine andere Gruppe oder ein anderes Team hat.” Laura Wontrop-Klauser, Programm-Managerin für Sportwagenrennen beim Cadillac-Mutterkonzern GM, stimmt ihm zu. Auch sie glaubt nicht, dass der Start in Daytona ein großer Vorteil ist.
“Daytona ist eine ganz andere Strecke als Sebring und die anderen Kurse, auf denen wir in der restlichen WEC-Saison fahren werden”, sagt Wontrop-Klauser. “Jedes Mal, wenn man das Auto startet, lernt man etwas dazu, und das ist fantastisch. Vor allem in Sebring gibt es noch viel zu lernen.”
Doch wenn sich nicht Porsche und Cadillac in der Favoritenrolle sehen, wer dann? Cadillac-Pilot Earl Bamber und sein Porsche-Kollege Dane Cameron sind sich sicher: Der Sieg führt nur über Toyota, die ihren GR010 Hybrid bereits seit zwei Jahren einsetzen. Auch für dieses Jahr haben die Japaner ihr Hypercar im Detail weiterentwickelt.
Toyota für Earl Bamber immer noch die Benchmark
“Sie sind eine feste Größe. Als ich mit Porsche in der LMP1 gefahren bin, waren sie dabei und sie sind es immer noch. Sie sind, sagen wir, die Benchmark”, legt sich Bamber in einer weiteren Online-Medienrunde fest. Und Cameron ergänzt: “Wenn es um Prototypenrennen und die WEC geht, sind sie sicherlich der Maßstab. Wir sind ein ganz neues Team.”
“Es gibt nicht viele Rennen, die uns helfen können. Sie wissen genau, wie sie das Wochenende gestalten müssen.” Penske hat zwar im vergangenen Jahr erste Erfahrungen in der LMP2-Klasse gesammelt. Doch Toyota ist seit 2012 ununterbrochen in der Königsklasse der Langstrecken-WM am Start und weiß daher genau, wie ein Wochenende anzugehen ist.
Doch auch Teamchef Rob Leupen nimmt die Favoritenrolle nicht an. “Wir haben in der vergangenen Woche getestet, also mit den [neuen] Reifen und ohne die Reifenwärmer. Ich denke also, dass wir in den letzten beiden Tests viel Erfahrung gesammelt haben. Den Rest müssen wir noch aufholen”, meint Toyota-Mann Leupen.
Rob Leupen: Wir müssen aufholen
Er ist sich sicher: “Cadillac und Porsche haben hier [in Sebring] einen kleinen Vorsprung, den wir aufholen müssen. Deshalb hoffe ich, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.” Im Vorjahr war das nicht der Fall. Alpine gewann das vorzeitig abgebrochene Auftaktrennen 2022, während Jose-Maria Lopez aus dem Toyota #7 Kleinholz machte.
“Ich würde mir keine allzu großen Sorgen machen”, so Leupen weiter. “Wenn sie dort einen Vorsprung haben, müssen wir Druck machen.” Auch andere Hypercar-Teamchefs blicken skeptisch auf den WEC-Auftakt in Sebring. Vanwall-Teamchef Colin Kolles: “Je mehr man testet, desto besser ist es natürlich.”
“Aber wir werden sehen, was in Sebring passiert. Vielleicht wird es für alle eine Überraschung geben.” Die Testregeln sind auch ein Grund, warum Jim Glickenhaus die LMH-Fraktion benachteiligt sieht: “Die IMSA-Jungs können in Sebring kurz vor dem Rennen testen, wenn auch in IMSA-Konfiguration”, erklärt er.
“Spannender Kampf” für WEC-Auftakt erwartet
“Es gibt Leute wie unsere Freunde von Ferrari, die von einem solchen Test profitieren würden. Aber da sie ein Hypercar haben, wurden sie wohl ausgeschlossen.” Doch selbst wenn das LMDh-Lager in Sebring tatsächlich die Oberhand gewinnen sollte: Über die Balance of Performance können die Organisatoren in das Geschehen eingreifen.
“Es wird sehr, sehr eng, das hat man in Daytona gesehen. Der ACO und die IMSA haben mit dem Reglement einen guten Job gemacht, vor allem, weil sie die LMDh-Autos so eng zusammengebracht haben. Das wird ein spannender Kampf”, blickt Bamber voraus.
Und dann kommt es am Ende darauf an, im Rennen perfekt zu sein und die eigenen Stärken zu maximieren. Mit Blick auf Daytona erklärt Diuguid: “Dort haben wir großartigen Rennsport mit vielen verschiedenen Ansätzen für ein und dasselbe Problem gesehen. Die WEC erweitert das mit zwei verschiedenen Plattformen.”
“Ich freue mich auf die Möglichkeit, mit mehr Herstellern und Teams Rennen zu fahren.” Vor dem ersten WEC-Rennen 2023 findet in Sebring aber noch der zweitägige Prolog statt. Hier haben Toyota, Ferrari, Peugeot, Glickenhaus und Vanwall die Chance, ihren Erfahrungsrückstand auf die LMDh-Konkurrenz etwas zu verringern.