Wie Porsche LMDh-Zuverlässigkeitsprobleme umgehen will
Für alle vier Hersteller der IMSA-GTP-Klasse ist allein schon der Start bei den 24 Stunden von Daytona 2023 ein kleiner Sieg. Denn die LMDh-Boliden rollen in vielen Fällen erst seit einem halben Jahr. Der Porsche 963 hat einen Vorsprung von weiteren sechs Monaten. Trotzdem sehen weder Porsche noch die Konkurrenz einen Vorteil. Wie also lassen sich Zuverlässigkeitsprobleme möglichst umgehen?
Jonathan “JD” Diuguid, Chef von Porsche Penske Motorsport, erklärt, dass man auf Probleme eingestellt sei: “Die mechanische Zuverlässigkeit des Autos ist bereits sehr gut und natürlich haben wir erfahrene Leute, wenn wir doch mal ein Karosserieteil oder ein Getriebe wechseln müssen. Wir haben Pläne für alle Eventualitäten, sowohl in Sachen Software als auch mechanischer Komponenten.”
Letztere sind jedoch im modernen Fahrzeugbau gar nicht mehr das große Problem. Motor, Antriebsstrang und Bremsen sind durch jahrzehntelange Entwicklung sehr standfest. Die Rennen der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass es häufig Software-Probleme sind, die die Autos lahmlegen. Sogenannte “Powercycles”, also Resets des Fahrzeugs, sind zu einem gewohnten Bild geworden.
Redundanz die beste Waffe gegen Software-Probleme
Und genau hier will Porsche dem Schicksal ein Schnippchen schlagen und wendet Strategien aus dem Flugzeugbau an. Das Zauberwort heißt Redundanz, erläutert Diuguid: “Es gibt Hunderte von Sensoren an diesen Fahrzeugen, damit es optimal läuft. Dieses kann aber auch suboptimal laufen, wenn nur die Hälfte von ihnen funktioniert.”
“Es geht hauptsächlich darum, die Interdependenzen zwischen den Sensoren nachzuvollziehen, und wie sie arbeiten. Und wie man Software-Kontrollstrategien entwickelt, damit sie auch ohne diese Informationen funktionieren.”
Ein Beispiel, wie ein einzelner Sensor ein ganzes Rennen kosten kann, war das Audi-Team Land beim ADAC GT Masters in Zandvoort 2022. Ein Sensor im Getriebe sorgte dafür, dass Jusuf Owega und Ricardo Feller gar nicht erst starten konnten. Solche Probleme lassen sich durch Redundanz umschiffen – etwa, indem man drei Sensoren verwendet und den Verlust von einem verkraften kann.
“Man denkt an jedes erdenkliche Szenario und baut dort Software-Redundanz ein”, fährt der Penske-Mann fort. “Diese Autos sind aus Software-Sicht äußerst komplex, aber genau das ermöglicht es uns, Probleme mit Software-Fixes zu beheben.”
Und genau hier könnte doch noch ein Vorteil von Porsche liegen: Zwar musste man viel Pionierarbeit leisten, aber hatte auch entsprechend mehr Zeit, unerwartete Probleme mit Software-Redundanz zu lösen.
Ein weiteres Beispiel ist die Batterie, ein Einheitsbauteil von Williams Advanced Engineering. Diese ist für ein bestimmtes Temperaturfenster vorgesehen: “Wir müssen sie jedes Mal [wie einen Verbrennungsmotor] auf Temperatur bringen, bevor wir loslegen. Es gibt überall im Auto Thermostate und Kontrollmechanismen für den Fall, dass wir sie brauchen.”
Auch Williams hat bereits vorgesorgt, um Performance-Verluste in Grenzen zu halten, sollte es in Daytona so kalt werden wie 2022: Die Batterie verfügt über 130 Prozent ihrer eigentlich benötigten Leistung, um auch unter suboptimalen Bedingungen noch die notwendige Power zu generieren.
Vergleich zum 919 Hybrid kaum möglich
Wie war die Entwicklungsarbeit mit dem 963 nun im Vergleich zum LMP1-Boliden 919 Hybrid? Für Urs Kuratle, Leiter Werksmotorsport LMDh bei Porsche, war das jüngste Projekt sogar schwieriger, obwohl die LMP1-Boliden der 2010er-Jahre in ihrer Komplexität so schnell nicht wieder erreicht werden dürften.
“Beim 919 war alles ein In-House-Projekt, was uns das Leben klar vereinfacht hat. Jetzt hatten wir Probleme, die gar nicht in unserer Hand lagen. Der 919 hatte wesentlich mehr Hybrid-Power und war komplexer. Letzten Endes kann man sagen, dass der Aufwand für beide ziemlich vergleichbar war. Nur lagen die Schwierigkeiten in einem anderen Bereich.”
Weniger vergleichbar ist hingegen die Mannstärke der Projekte. Beim 919 Hybrid waren 250 Menschen beteiligt. Das war einfach zu zählen, weil es sich um Porsche-Angestellte handelte. Beim LMDh-Projekt ist das gar nicht mehr so einfach zu bestimmen.
“Es ist schwer zu sagen, weil allein Porsche Penske Motorsport über Stützpunkte in Mooresville und Mannheim verfügt. Dann haben wir noch unsere Leute in Weissach in der Entwicklungsabteilung und die Leute bei Bosch, Williams und Xtrac für die LMDh-Standardkomponenten.”
“Es könnte sich insgesamt also sogar um mehr Menschen handeln als bei unserem LMP1-Projekt. Aber dann kümmern sie sich ja auch nicht bloß um ein Team, sondern auch andere Teams und Hersteller. Wenn diese Standardkomponenten erstmal so funktionieren, wie sie sollen, dann wird sich die Anzahl der Mitarbeiter in diesem Bereich reduzieren.”